Gestern morgen ist mir im Tiergarten ein Fuchs begegnet. Ich lief gerade
an der Stelle vorbei, an der Karl Liebknecht nicht erschossen wurde,
als er von links meinen geraden Weg kreuzte. Wir schraken beide zusammen
und blieben mitten auf dem Parkweg stehen. Er blickte mich an. Ich
blickte ihn an. Er senkte leicht den Kopf. Ich auch. Er überprüfte, ob
ich zu jagen oder essen sei (nein), und ich ihn, ob er eventuell ein
Capuccino mit einem süßen Brötchen war (auch nicht). Bei seiner zweiten
Musterung schaute er, ob ich ein gefährlicher Jäger im grünen Rock mit
einer großen Flinte sein könnte. Ich wiederum prüfte, ob er nicht ein
übergewichtiger Perverser mit strähnigem Haar und einem Teppichmesser in
der Hintertasche seiner billigen Jeans war. Nachdem wir uns beide auf
diese Weise versichert hatten, daß wir gegenseitig weder Beute noch
Gefahr waren, wandte er sich ab und lief, ohne jede Hast, in das Gebüsch
zur Seite weg, in jener elastischen Eleganz und Würde, die unter
anderem den Fuchs vom Hund trennt. Ich stolperte schwitzend geradeaus
weiter.
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