Mittwoch, 9. September 2009

Es ist groß oder klein, gut oder schlecht, oder anders

Im Norden Neuguineas liegt die Provinz Ost-Sepik, von der bislang kaum jemand irgendetwas gehört hat. Im unzugänglichen Süden dieser Provinz, im tiefsten Regenwald, hinter allen sieben Bergen, da lebt ein kleines Volk, das gerade einmal 300 Köpfe zählt. Dieses Volk spricht Yimas. Diese Sprache zeichnet sich dadurch aus, daß sie gerade einmal fünf Adjektive hat. Diese sind kpa (groß), waca (klein), yua (gut), mama (schlecht) und ma (andere). Yimatische Werbung muß also auf „erlesene Materialien“ und „exklusive Vorteile“ verzichten. Ihren Weinkritiken fehlen „verspielte Nasen“ und „seidige Säurenerven“, und ihre Autotester berichten niemals über einen „facegelifteten Mercedes“ mit „markantem Motorengeräusch“. Ihr Wein ist entweder yua oder mama, und ihre Autos sind kpa oder waca.

Eine Frage ist, ob die Yimaesen zu beneiden oder zu bemitleiden sind. Immerhin kennen sie nicht die Verlegenheit, das gute kleine Wort zu finden, das genau an diese Stelle passt. Möglicherweise ist es auf der anderen Seite schwierig, in dieser Sprache die feinen Unterschiede auszuleuchten. Aber ist es überhaupt ein Zeichen höherer Kultur, wenn eine Sprache sich einen riesigen Zoo voller Adjektive hält? Wenn diese Kultur ein Wort für ein malapropistisches Wort kennt, aber ihre Jugend im täglichen Sprachgebrauch sogar nur mit zwei Adjektiven(geil/ungeil) auskommt? Ich werde jedenfalls meine Adjektive zukünftig einmal zählen und numerieren, wenn ich es nicht vergesse. Ich schätze, daß ich mit 50 locker auskomme, und daß ich für mein 100. Adjektiv schon in den Keller muß, um es aus dem Regal mit dem Eingekochten hochzuholen.

Vielleicht ist es ja auch so, daß die Yimantiner den Ethnologen bei der Spracherhebung einfach verarscht haben („Alle Adjektive will er wissen? Der dicklichblassmundriechende Typ spinnt ja wohl. Aber warte mal...“) Oder daß der Gebrauch von Adjektiven nach Wochentagen oder Jahreszeiten geregelt und verschieden ist. Im Winter habe ich auch, wie die Eskimos, 30 verschiedene Wörter für Schnee und kalt, aber im Sommer kenne ich 30 Ausdrücke für Mit-einem-kalten-Bier-im-warmen-Biergarten-sitzen.

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