Montag, 14. September 2009

Am Geschmack erkannt

Heute morgen, zum Sonnenaufgang, beobachtete ich, wie ein Pärchen an der Siegessäule Fotos machte. Sie hatten sich in einer Ecke an der Straße des 17. Juni aufgestellt. Sie posierte an einem Laternenmast, er kniete vor ihr und fotografierte. Sie trug nichts als einen schwarzen Ledermantel, darunter ein paar rote Dessous. Sie streckte die Arme nach hinten um die Laterne, das Knie nach vorne und guckte nach oben. Ich dachte daran, welche ästhetischen oder erotischen Maßstäbe diese Leute so haben. Das alles sah so erbärmlich und scheiße aus. Und was machen sie denn nachher mit den Fotos?
Ich stelle mir vor: Reinickendorf, Vorortsiedlung, später Nachmittag. Vor dem Haus steht ein alter Ford Scorpio, in Rotweincreme-Metallic. Ein Partykeller mit einem Kutschenrad, das als Lampenträger unter der Decke hängt. Es riecht nach lauwarmen Schultheiss und alter Couch mit braunem Cordbezug und Weinbrandflecken, auch nach Haustier, und zwar nach einem Cockerspaniel, der aber schon seit zwei Jahren blind ist. Als Musik hört man im Hintergrund ein Country-Album von Juliane Werding. Er hat eine Aufziehleinwand in der Ecke aufgestellt, den Diaprojektor auf die Theke gestellt und klickt mit der Fernbedienung probeweise die Dias durch. „Berlin – Erotische Impressionen“ hat er es genannt. Super, daß Carola es so toll durchgezogen hat.

Der Cockerspaniel heißt Kessy.

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