Meister der Mansi-Magadalena: Die Heilige Maria Magdalena,
1525
Gemäldegalerie Berlin, Saal 6
Eines meiner Lieblingsbilder in der Gemäldegalerie. Es zeigt
Maria Magdalena, die den Betrachter direkt entgegenblickt, vor einer Felsenlandschaft.
Es ist deshalb Maria Magdalena, weil sie ein geöffnetes Salbengefäß trägt, und
das ist ihr Heiligenattribut. Denn sie hat dem Herrn ja nicht nur die Füße
gewaschen, sondern sie auch mit norwegischer Schrundensalbe eingerieben. Kein
Wunder, denn aus alten Bibelfilmen weiß ich, daß Jesus und seine Jünger die
ganze Zeit immer nur zu Fuß herumgelaufen sind. Wahrscheinlich hätte sich das
Genre des Pferdebuchs schon Jahrhunderte vorher entwickelt, wenn Jesus, Petrus
und Judas hätten reiten könne.
Heiligenattribute - künstlerisch fand man es unelegant, den
Namen über den Heiligen zu schreiben, deshalb hat man sich Beigaben ersonnen,
damit es auch für dem Döfsten klar war. Pfeile beim Hl. Sebastian, eine Säge
beim Hl. Josef, den Salbentopf bei Maria Magdalena. Der Name „Meister der
Mansi-Magdalena“ ist natürlich ein Notname, da man verschusselt hat, wie der
Maler geheißen hat. Dem Meister der Mansi-Magdalena werden 13 Bilder
zugeschrieben, von denen 4 im 20. Jahrhundert verschollen sind.
Das Bild ist aus mehreren Gründen sehr ungewöhnlich. Das
liegt erst einmal an dem braunen Kleid der Maria Magdalena, was ikonographisch
sehr selten vorkommt. Damit hebt sie sich auch sehr wenig von der
dahinterliegenden Landschaft ab. Um so gravierender, weil direkt hinter ihr,
ungewöhnlicherweise sogar fast symmetrisch zwei Felsblocken liegen. Durch den
geringen Kontrast entsteht kaum Perspektive, und es sieht es fast so aus, als
würden die Brocken auf ihrer Schulter liegen. Die Frontalität der Figur und die
ganze Körperhaltung ist ebenfalls für die Zeit sehr merkwürdig. Sie hat den
Deckel der Dose abgenommen und es wirkt fast so, als würde sie dem Betrachter
gleich ein Bonbon anbieten. Außerdem sieht es fast so aus, als stünde sie in
einem leichten Kontrapost, oder aber ob sie sich etwas vorbeugen würde. Ihre
rechte Hand (im Detail ist ihre linke Hand: klar – links ist da, wo der Daumen
rechts ist) mit dem Salbendeckel ist etwas mißraten und spinnenartig, die andere
Hand aber ist sehr schön gearbeitet.
Besonders eindrucksvoll aber ist ihr Gesicht. Das findet
wohl auch die Gemäldegalerie, denn es gehört zu den Handvoll Bildern, die man
großformatig außen am Gebäude präsentiert.Ihr Gesicht ist außerordentlich
symmetrisch, und trotz ihrer schiefen Körperhaltung absolut gerade. Und es ist
ein Gesicht, das einen durch die Jahrhunderte anblickt, ein völlig modernes
Gesicht. Merkwürdigerweise wird das in den Reproduktionen nicht so richtig
deutlich. Es gibt häufiger Gemälde, bei denen bestimmte Aspekte nur dann
sichtbar ist, wenn man das Original sieht. Klar, bei van Gogh sieht man, wie
fingerdick das gemalt ist, weil Ölfarbe gerade im Angebot war. Aber zum
Beispiel auch komplexere Wirkungen, wie zum Beispiel das Perspektivische in
Vermeers Milchmädchen, das in der Reproduktion komplett verloren geht.
Rembrandt (den ich nicht mag) ist heikel mit seinen ganzen Braunschwarz in
Schwarzbraun-Tönen. Und bei den bunten Italienern wirken die Farben oft ganz
anders. Jedenfalls funktioniert die Modernität des Magdalenengesichts am
Bildschirm nicht so richtig.
Überraschend ist, wie jung diese Maria Magdalena ist. Das
ist ein Mädchen, das vielleicht 16 oder 17 Jahre altist. Ich bin mir nicht
sicher, ob das der Maler beabsichtigte oder es eine moderne Auslegung ist. Aber
es ist eher ein Engelsgesichtchen denn eine vielgefahrene Sünderin.
Wahrscheinlich gibt es in Modeblogs viele unbewußte Kopien dieses Gemälde,
Mädchen vor dem Spiegel: ich und mein neues braunes Kleid von H&M und die
neue Tagescreme aus dem Body Shop.
Einzelabbildungen von Maria Magdalena neigen ohnehin, etwas
aus der Spur zu liegen. Es gibt eine Maria Magdalena von Anthony Sandys von
1858, die eindeutig ein bekifftes Hippiemädchen zeigt.
Oder ein Exemplar von Tizian, nahezu zeitgleich zu unserer Mansi-Magdalena, ein
dralles Weib, das sich selbst in ihre Locken einwickelt.
Die schönste Maria Magdalena ist aber diese aus der
Gemäldegalerie.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen