Freitag, 16. Januar 2015

Zehn Zentimeter: 1







Meister der Mansi-Magadalena: Die Heilige Maria Magdalena, 1525

Gemäldegalerie Berlin, Saal 6



Eines meiner Lieblingsbilder in der Gemäldegalerie. Es zeigt Maria Magdalena, die den Betrachter direkt entgegenblickt, vor einer Felsenlandschaft. Es ist deshalb Maria Magdalena, weil sie ein geöffnetes Salbengefäß trägt, und das ist ihr Heiligenattribut. Denn sie hat dem Herrn ja nicht nur die Füße gewaschen, sondern sie auch mit norwegischer Schrundensalbe eingerieben. Kein Wunder, denn aus alten Bibelfilmen weiß ich, daß Jesus und seine Jünger die ganze Zeit immer nur zu Fuß herumgelaufen sind. Wahrscheinlich hätte sich das Genre des Pferdebuchs schon Jahrhunderte vorher entwickelt, wenn Jesus, Petrus und Judas hätten reiten könne.


Heiligenattribute - künstlerisch fand man es unelegant, den Namen über den Heiligen zu schreiben, deshalb hat man sich Beigaben ersonnen, damit es auch für dem Döfsten klar war. Pfeile beim Hl. Sebastian, eine Säge beim Hl. Josef, den Salbentopf bei Maria Magdalena. Der Name „Meister der Mansi-Magdalena“ ist natürlich ein Notname, da man verschusselt hat, wie der Maler geheißen hat. Dem Meister der Mansi-Magdalena werden 13 Bilder zugeschrieben, von denen 4 im 20. Jahrhundert verschollen sind.


Das Bild ist aus mehreren Gründen sehr ungewöhnlich. Das liegt erst einmal an dem braunen Kleid der Maria Magdalena, was ikonographisch sehr selten vorkommt. Damit hebt sie sich auch sehr wenig von der dahinterliegenden Landschaft ab. Um so gravierender, weil direkt hinter ihr, ungewöhnlicherweise sogar fast symmetrisch zwei Felsblocken liegen. Durch den geringen Kontrast entsteht kaum Perspektive, und es sieht es fast so aus, als würden die Brocken auf ihrer Schulter liegen. Die Frontalität der Figur und die ganze Körperhaltung ist ebenfalls für die Zeit sehr merkwürdig. Sie hat den Deckel der Dose abgenommen und es wirkt fast so, als würde sie dem Betrachter gleich ein Bonbon anbieten. Außerdem sieht es fast so aus, als stünde sie in einem leichten Kontrapost, oder aber ob sie sich etwas vorbeugen würde. Ihre rechte Hand (im Detail ist ihre linke Hand: klar – links ist da, wo der Daumen rechts ist) mit dem Salbendeckel ist etwas mißraten und spinnenartig, die andere Hand aber ist sehr schön gearbeitet.


Besonders eindrucksvoll aber ist ihr Gesicht. Das findet wohl auch die Gemäldegalerie, denn es gehört zu den Handvoll Bildern, die man großformatig außen am Gebäude präsentiert.Ihr Gesicht ist außerordentlich symmetrisch, und trotz ihrer schiefen Körperhaltung absolut gerade. Und es ist ein Gesicht, das einen durch die Jahrhunderte anblickt, ein völlig modernes Gesicht. Merkwürdigerweise wird das in den Reproduktionen nicht so richtig deutlich. Es gibt häufiger Gemälde, bei denen bestimmte Aspekte nur dann sichtbar ist, wenn man das Original sieht. Klar, bei van Gogh sieht man, wie fingerdick das gemalt ist, weil Ölfarbe gerade im Angebot war. Aber zum Beispiel auch komplexere Wirkungen, wie zum Beispiel das Perspektivische in Vermeers Milchmädchen, das in der Reproduktion komplett verloren geht. Rembrandt (den ich nicht mag) ist heikel mit seinen ganzen Braunschwarz in Schwarzbraun-Tönen. Und bei den bunten Italienern wirken die Farben oft ganz anders. Jedenfalls funktioniert die Modernität des Magdalenengesichts am Bildschirm nicht so richtig.


Überraschend ist, wie jung diese Maria Magdalena ist. Das ist ein Mädchen, das vielleicht 16 oder 17 Jahre altist. Ich bin mir nicht sicher, ob das der Maler beabsichtigte oder es eine moderne Auslegung ist. Aber es ist eher ein Engelsgesichtchen denn eine vielgefahrene Sünderin. Wahrscheinlich gibt es in Modeblogs viele unbewußte Kopien dieses Gemälde, Mädchen vor dem Spiegel: ich und mein neues braunes Kleid von H&M und die neue Tagescreme aus dem Body Shop.


Einzelabbildungen von Maria Magdalena neigen ohnehin, etwas aus der Spur zu liegen. Es gibt eine Maria Magdalena von Anthony Sandys von 1858, die eindeutig ein bekifftes Hippiemädchen zeigt.  Oder ein Exemplar von Tizian, nahezu zeitgleich zu unserer Mansi-Magdalena, ein dralles Weib, das sich selbst in ihre Locken einwickelt


Die schönste Maria Magdalena ist aber diese aus der Gemäldegalerie.

 

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